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Dr. Franz Wegner, ein Historikerkollege und Sonderling wie er selbst, stattete
ihm hin und wieder einen Besuch ab. Allerdings nur so lange, bis der stets kor-
rekt gekleidete, steife unverheiratete Mann mit dem kleinen Schnauzbart und
dem umstndlichen Gebaren entdeckte, dass wir unser Heim mit Murli teilten.
Er beugte ihn voll Abscheu. Gehrt der fette Kater Ihnen? Er schaut aus wie
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ein Hngebauchschwein!, fragte er erregt und schwer atmend, um uns dann
ber seine Krankheit aufzuklren, eine schwere Allergie gegen Katzenhaare.
Dies und eine daraus resultierende, drastisch formulierte Antipathie gegen
Haustiger aller Art hielten den honorigen Wissenschaftler in der folgenden Zeit
von unserem Zuhause fern. Trafen wir ihn in einem Restaurant, wurde er nicht
mde, uns, vor allem aber mir, voll Gusto zu schildern, wie man im von
Aberglauben erfllten dunklen und engstirnigen Mittelalter mit den Ahnen der
Auslser seiner Krankheit, in denen man die Trger von Unheil vermutete, ver-
fahren war. Dass man in schwarzen Katzen den Teufel sah, den es mittels Ex-
orzismus auszutreiben galt. Von Prozessen, in denen die Tiere zu Hunderten
auf Scheiterhaufen verbrannt oder gevierteilt wurden. Wie man noch im 18.
Jahrhundert als ausnehmendes Plaisir adeliger Kreise das sogenannte
Fuchsprellen veranstaltet hatte. Dazu wurden auf Befehl des Oberjger-
meisters Fchse und andere geeignete Tiere, wie Katzen und Hunde, gefangen.
Cavaliers und Dames schnellten diese dann mit einem festen Tuch, der
Prelle, in die Luft. Man amsierte sich ber die Luftsprnge und Kapriolen der
gequlten Tiere, die dabei oft Verletzungen erlitten.
Dr. Wegner teilte, wie er erklrte, voll und ganz die Ansicht des Universal-
Lexikons von 1735: Thiere in ihrem Blut liegen sehen, selbst die Hand an sie
gelegt haben, neue Arten ihrer Martern erdencken, ist noch keine
Grausamkeit. Mich ekelte vor dem unscheinbaren, aber bsartigen Mann.
Meine emprten Einwnde, dass wir diese Barbareien und finsteren Zeiten
zum Glck berwunden htten und dass man bereits im alten gypten Katzen
als Gtter verehrt und nach ihrem Tode einbalsamiert und ehrenvoll bestattet
habe, wischte Dr. Wegner als sentimentale Ansichten einer weltfremden Dilet-
tantin zur Seite. Er brillierte stattdessen mit seinem Historikerwissen: Stellen
Sie sich das vor! Spaniens ltestes gedrucktes Kochbuch aus dem 15. Jahrhun-
dert enthlt ein kstliches Rezept fr Katzenbraten! Auf meine entsetzte
Frage, ob er denn Tiere nicht liebe, meinte er hhnisch: Aber doch, selbstver-
stndlich. Vor allem Heringe in Dosen. Dieser gemeinen Antwort fgte er
gensslich hinzu, dass es immer noch viele Leute gebe, die Katzen Glassplitter
unter das Futter mischten oder es mit Rattengift versetzten. Wahrscheinlich
sprichst du von dir selbst, dachte ich mir wutentbrannt.
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Wegners verbale Rohheiten verfolgten mich lange, sie strten sogar meine
Nchte. Kam ich dann endlich zur Ruhe, so qulten mich Alptrume. Im
Wachen erfllten mich bse Gedanken an den kleinen Historiker. Doch was
konnte man tun? Man war doch hilflos gegen die Schlechtigkeit dieser Welt.
Wenig spter wurden die gelegentlich anberaumten Treffen, bei denen ich
anwesend sein durfte, aus hygienischen Grnden in die Kochgasse Nr. 22 im 8.
Wiener Gemeindebezirk verlegt. Dort besa Dr. Wegner in einem zwar schn-
en, aber heruntergekommenen Haus mit brckelnder Fassade, wo in dem einst
eleganten Entree die Abfallkbel gleich hinter der Eingangstr fast den Weg
versperrten, eine groe, von seinen Eltern bernommene und seither unver-
ndert belassene, katzenfreie und dstere Wohnung.
Als wieder ein Besuch bei Dr. Wegner bevorstand, machte ich mir Gedanken
ber ein passendes Gastgeschenk. Nach Erwgungen verschiedenster, aber
stets unfreundlicher Art fllte ich schlielich Katzenfutter aus einer Dose mit
dem Etikett Ragout des Canards. Fr verspielte Ktzchen in ein kleines
Keramik-Tpfchen um, verzierte es mit ein paar Preiselbeeren, verschloss es
sorgfltig mit einer bunten Plastikhlle und versah das Ganze mit der ver-
schnrkelten Aufschrift Wildpastete nach Hausfrauenart.
Dr. Wegner freute sich sehr darber. Ich bedauerte allerdings, dass es mir
verwehrt blieb, ihn beim Verzehr der ktzischen Kstlichkeit zu beobachten.
Auf jeden Fall habe es ihm, wie er mir mitteilte, sehr geschmeckt.
Und mich hat es zu weiteren Taten ermutigt und angeregt.
Bei einer neuerlichen Einladung zu Tee, gekauftem trockenem Anker-Kuchen
und gespreizter Konversation entpuppte sich der Experte fr Diplomatik des
15. Jahrhunderts nicht nur als potenzieller Tierquler, sondern auch als
Frauenhasser. Ja, das verstehen die Mdels eben nicht, uerte er sich
wiederholt, wenn ich eine Bemerkung zur Tagespolitik von mir gab. Sehr
schnell beschloss ich, dass der hssliche Macho eine weitere, etwas deftigere
Lektion erhalten sollte. Mit strkeren Mitteln, denn Katzenpastete allein, und
war sie auch vom Feinsten gewesen, hatte sich eindeutig als zu schwach er-
wiesen! Allem Anschein verfgte der verkmmerte Medivist ber einen
ebenso verkmmerten Geschmackssinn.
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Kurz bevor wir Dr. Wegner wieder einmal die Ehre erweisen sollten, unterzog
ich Murli mithilfe eines feinen Staubkamms einer ausgiebigen Krperpflege,
was der Kater sehr zu schtzen schien. Er warf sich lustvoll auf den Rcken und
schnurrte vor Begeisterung so laut, dass ich lachen musste, whrend ich
sorgfltig die dnnen Unterhaare seines Fells entfernte. Anschlieend gab ich
den derart gewonnenen Knuel aus grauen Katzenhaaren sorgfltig in einen
Briefumschlag, und verstaute ihn in meiner Handtasche. Die Hflichkeitsvisite,
der ich diesmal mit gespannter Neugier entgegensah, versprach nicht ganz so
fad wie sonst immer zu werden. In eleganter Aufmachung begrte ich mit
wahrer, ungeheuchelter Freude den in ein altmodisches kariertes Sakko samt
Fliege gekleideten Katzenhasser, der uns in sein stickiges, selten gelftetes
Wohnzimmer mit den schweren braunen Samtvorhngen und den verblichen-
en Polstermbeln von anno Schnee bat. Delikat war neulich Ihre Pastete aus
eigener Produktion, kleine Frau!, meinte er wohlwollend zu mir, obwohl ich
ihn berragte. Die erste Portion meines geheimen Mitbringsels schob ich
diskret in die Ritzen des Fauteuils, von dem sich der Gastgeber umstndlich er-
hob, um nach dem auf dem Kchenherd aufgesetzten Teewasser zu schauen.
Eine weitere lie ich whrend seiner Abwesenheit auf den Teppichboden
gleiten und mit einer dritten strich ich unauffllig ber das Tischtuch.
Als Dr. Wegner mit einer abgeschlagenen Teekanne aus dnnem Porzellan
zurckkehrte, die er vorsichtig in der Hand balancierte, rusperte er sich
mehrmals, wobei er den Kragen seines Hemds mit zwei Fingern lockerte. Ich
hatte auch den Eindruck, dass er etwas um Atem rang. Mit Wohlgefallen beo-
bachtete ich, whrend ich den ganz exzellenten Tee schlrfte, dass es unserem
Gastgeber gar nicht gut zu gehen schien. Auf die uerungen meines Mannes
ber die lamentablen, ja skandalsen Zustnde am Historischen Institut, die [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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